November 15, 2009

Grundlagen aus der Nachrichten- und Medienwirkungsforschung

Posted in BWL-Hauptseminar um 5:17 pm von coffe klatsch

Hallo an alle Teilnehmer des BWL-Seminars und an alle anderen Interessierten,

hier nun eine kurze 😉 Zusammenfassung unserer Arbeit zum Thema „Wirkung der A-Blogger in der Blogosphäre – Funktion1“. Noch möchten wir keine Ergebnisse der Übertragung preisgeben. Für die Präsentation in zwei Wochen braucht ihr zunächst erstmal diese Informationen zu den Grundlagen aus der Nachrichten- und Medienforschung.

Hier könnt ihr dann noch zusätzlich die ersten Ergebnisse der Empirischen Studie zur „Wirkung von A-Bloggern“ von Tanja und Nora  nachlesen.

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Die Nachrichtenforschung

Eine der zentralen Aufgaben von Journalisten ist es, darüber zu entscheiden, welche Ereignisse aufgrund ihrer Relevanz Eingang in die Medienwelt finden. Es gilt herauszufinden, nach welchen Kriterien Journalisten ihre Nachrichten auswählen und welche Einflussfaktoren dabei auf sie einwirken. Studien, die versuchen, die Nachrichtenauswahl von Journalisten zu erklären, lassen sich verschiedenen Forschungsrichtungen zuordnen: Der Gatekeeper-Forschung, der Nachrichtenwert-Theorie oder der News Bias-Forschung.

1. Die Gatekeeper-Forschung

Der Begriff ‚Gatekeeper’ bedeutet übersetzt ‚Torhüter’ oder ‚Schleusenwärter’. 

Sämtliche Studien zur Gatekeeper-Forschung können nach Winfried Schulz unter folgenden Punkten zusammengefasst werden: 

  1. Die Selektion der Nachrichten ist teilweise abhängig von den subjektiven Einstellungen, Erfahrungen und Erwartungen des einzelnen Journalisten.
  2. Sie wird durch technische und organisatorische Zwänge (Zeitdruck, Platzmangel) bestimmt, welche durch den Verlag oder die Redaktion bedingt sind.
  3. Die Auswahl der Nachrichten orientiert sich häufig an der Bezugsgruppe der Arbeitskollegen sowie den Vorgesetzten. Die Erwartungen bzw. Bedürfnisse des Publikums sind dabei eher unrelevant.
  4. Ein weiteres wichtiges Selektionskriterium stellt die Art und Weise der Nachrichtengestaltung und Themenauswahl (redaktionelle Linie) dar.
  5. Die Berichterstattung durch Journalisten wird zum größten Zeil vom Agenturmaterial vorgeformt, welchem sich die Redakteure häufig passiv gegenüber verhalten.

Bei der Gatekeeper-Forschung geht es demnach darum, herauszufinden, welche Eigenschaften des einzelnen Journalisten oder aber auch der Medienorganisation die Nachrichtenauswahl beeinflussen?

2.  Die Nachrichtenwert-Theorie und Nachrichtenfaktoren

Im Gegensatz zur Gatekeeper-Forschung beschäftigt sich die Nachrichtenwert-Theorie nicht mit den Eigenschaften der Journalisten oder den Einflussfaktoren durch die jeweilige Organisation, sondern setzt bei den Medieninhalten an.

Einar Östgaard, Johan Vincent Galtung und Mari Holmboe Ruge  fassten systematisch die Ereignismerkmale zusammen, nach welchen Journalisten ihre Nachrichten auswählen. Diese Merkmale werden seither als Nachrichtenfaktoren bezeichnet:

  • Frequenz: Ereignisse sind kurzfristig oder abgeschlossen
  • Aufmerksamkeitsschwelle: Ereignisse sind in ihrer Intensität ungewöhnlich
  • Eindeutigkeit: Ereignisse sind einfach oder überschaubar
  • Bedeutsamkeit: Ereignisse sind folgenreich oder nah
  • Konsonanz: Ereignisse entsprechen den Erwartungen oder Wünschen
  • Überraschung: Ereignisse sind selten oder unerwartet
  • Kontinuität: Ereignisse stehen mit anderen in Beziehung
  • Variation: Ereignisse heben sich von anderen ab
  • Elite-Nationen oder Elite-Personen: Ereignisse beziehen sich auf wichtige Staaten oder einflussreiche Menschen
  • Personalisierung: Ereignisse schildern Einzelschicksale
  • Negativität: Ereignisse sind konflikt- oder schadensträchtig

Das dargestellte Modell stellt nur eine kleine Auswahl von möglichen Nachrichtenfaktoren dar. Aus ihnen ergibt sich schließlich ein sogenannter Nachrichtenwert (engl.: news value) von Ereignissen. Je höher man diesen einschätzt, desto eher wird über Ereignisse berichtet. Aber nicht nur die Auswahl von Ereignissen, sondern auch deren Platzierung und deren Umfang üben einen Einfluss aus.

Das Two-Step-Flow-Modell und Meinungsführerkonzept

Rezipienten werden nicht wie beim ‚Ein-Stufen-Fluss’ von den Medieninhalten direkt erreicht, sondern die Botschaften der Massenmedien fließen zunächst zu Meinungsführern und von dort zu weniger aktiven Bevölkerungsmitgliedern – „Ideas often flow from radio and print to opinion leaders and from them to the less active selection of the population“ (Kunczik, M.; Zipfel, A., S. 322).

Dabei wurden zunächst zwischen zwei Arten von Meinugsführern unterschieden: 

1. die ‚polymorphen’ Meinungsführer, deren Einfluss sich auf mehrere Themenbereiche bezieht,
2. die ‚monomorphen’ Meinungsführer, die als ‚Opinion Leader’ für ein spezielles Themengebiet fungieren.

→ Durch weiteren Befragungen und deren Ergebnisse konnten Forscher schlussfolgern , dass jeder Entscheidungsbereich doch eigene Meinungsführer aufweist. Somit ist Meinungsführerschaft meist auf ein spezielles Gebiet beschränkt, gilt also als ‚monomorph’.

Bezüglich der Charakteristika von Meinungsführern hat die bisherige Forschung folgende Eigenschaften ergeben:

  • Persönlichkeitsattribute: Innovationsbereitschaft, Individualismus, ohne gegen soziale Normen zu verstoßen; Wissbegierde und Interesse in Bezug auf das Spezialgebiet; Weltoffenheit; Involvement
  • soziale Attribute: Geselligkeit; soziale Aktivität; zentrale Position in sozialen Netzwerken; soziale Zugänglichkeit; soziale Anerkennung; Glaubwürdigkeit
  • soziodemographische Attribute: von Thema, Kultur/ Gesellschaft und dem Zeitpunkt der Untersuchung abhängig; es gibt eine Tendenz zu einer Übereinstimmung der Eigenschaften von ‚Opinion Leaders’ und Beeinflussten
  • Informationsverhalten: Meinungsführer suchen aktiv nach Informationen in einer Vielzahl von Quellen (medial und interpersonal), setzen sich den Massenmedien in hohem Maße aus, entnehmen ihnen mehr Informationen und behalten mehr Details (Kunczik, M.; Zipfel, A., S. 330).
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    Das Agenda-Setting-Modell

    Die Agenda-Setting-Theorie zählt zu den erfolgreichsten neuen Ansätzen in der Wirkungsforschung. Seit der Pionierstudie von Maxwell E. McCombs und Donald L. Shaw wurden in den letzten 25 Jahren dazu mehr als 200 verschiedene Studien hierzu durchgeführt (Bonfadelli, H., S. 239).

    Der Begriff Agenda-Setting bedeutet ‚Themensetzung’ oder ‚Thematisierung’ und wird als wichtigste Perspektive der Medienwirkungsforschung gesehen.

    → Bei dem Agenda-Setting-Ansatz wird davon ausgegangen, dass die Massenmedien vorgeben, welche Themen die Menschen als besonders wichtig empfinden und sie somit eine gewisse Tagesordnung angeben und Thematisierungsfunktion ausüben. Durch die Häufigkeit der Berichterstattung, den Umfang und die Aufmachung beeinflussen die Medien demnach die Bedeutsamkeit, die die Öffentlichkeit gewissen Themen zumisst ( Kunczik, M.; Zipfel, A., S. 355).

    → Vor jeder Meinungs- oder Einstellungsbeeinflussung durch die Medien muss zunächst die Funktion der Thematisierung erfolgen. Medien können aus einer Vielzahl von möglichen Ereignissen immer nur einen Teil auswählen, über welche dann schließlich berichtet wird. Somit konstruieren Massenmedien durch ihre Selektion, Thematisierung und Gewichtung in der Öffentlichkeit ein sogenanntes Themenuniversum (engl.: salience). Dieses wird vom Publikum als wichtig erachtet und bestimmt demnach die Prioritätensetzung und Themenstrukturierung beim Rezipienten als Publikumsagenda (Bonfadelli, H., S. 237).

    → Im Agenda-Setting-Prozess sind nach Bonfadelli insgesamt drei Instanzen involviert: die Welt bzw. die Gesellschaft in der das Individuum lebt, die Medienwirklichkeit und die soziale Realität. Die sogenannten Agenda-Setting-Effekte entstehen schließlich durch den Umfang und die Struktur der Medieninhalte (Bonfadelli, H., S. 238). 

    Der Forschungsverlauf des Agenda-Setting-Modells kann in vier Phasen dargestellt werden: 

    1. Phase: Diese beinhaltet die anfänglichen empirischen Überlegungen.
    2. Phase: Sie beschäftigt sich mit den intervenierenden Variablen und deren Effekte. 
    3. Phase: Dabei weitet sich die Forschungen auf die politischen Themenranglisten aus.
    4. Phase: DerForschungsverlaufs endet schließlich mit dem Media-Agenda-Setting.

    Das Second-Level Agenda-Setting: Framing and Priming

    Bei der Agenda-Setting-Forschung stellt das Second-Level Agenda-Setting eine wichtige Neuerung dar. In den klassischen Studien bilden die sogenannten Objekte, also die öffentlichen Anliegen oder Themen, die grundlegenden Untersuchungseinheiten bei der Inhaltsanalyse und auch bei den Bevölkerungsumfragen. Sie stellen somit die erste Ebene der Themensetzung dar.

    Neuere literarische Veröffentlichungen hingegen beziehen auf einer zweiten Ebene einen weiteren Aspekt, nämlich die Attribute der jeweiligen Themen mit ein. Dabei betrachtet man die Medienberichterstattung über Themen, wo einzelne Aspekte, Attribute und Charakteristika hervorgehoben werden, während andere im Hintergrund bleiben. Bei dem Konzept auf zweiter Ebene wird somit die Wirkung auf Einstellungen und das Verhalten der Rezipienten mit integriert. Durch diese Neuerung wird zum Ausdruck gebracht, dass nicht nur eine Agenda für Objekte existiert, sondern auch für jedes Objekt eine Agenda für Attribute, welche in Orientierung an der relativen Salience der Attribute aufgebaut werden kann (Bonfadelli, H., S. 242).

    Bei dem Second-Level Agenda-Setting wird das Framing-Konzept mit integriert. Nach McCombs beinhaltet der Begriff ‚Framing’ folgendes: „the selection of a restricted number of thematically related attributes for inclusion on the media agenda when a particular object is discussed“ (Weaver, D. L.; McCombs, M. E.; Shaw, D. L., S. 192).

    Ein ‚Frame’ stellt demnach eine kognitive Struktur im Bewusstsein des Journalisten dar, der die Selektion und auch Verarbeitung von Informationen erleichtert.

    Allgemein kann gesagt werden:

    • Es ist er ein Interpretationsrahmen, der auf frühere abgespeicherte Erfahrungen zurückgreift und diese nutzt, um spätere Erfahrungen zu interpretieren.
    • Es werden gewisse Teile der Realität hervorgehoben, andere hingegen vernachlässigt oder gar ignoriert. Dieser Prozess kann dabei unbewusst oder bewusst erfolgen.
    • Die entstehenden Muster helfen schließlich, neue Ereignisse und Informationen sinnvoll einzuordnen und effizient zu verarbeiten.
    • Da auch Rezipienten über diese Interpretationsrahmen verfügen, kann der Framing-Ansatz auch als Bindeglied zu den Theorien der Nachrichtenauswahl und -wirkung beim Publikum eingesetzt werden.
    • Des Weiteren beschäftigt sich das Framing-Konzept aber auch mit der Nachrichtenstrukturierung, also der Darstellung (Kunczik, M.; Zipfel, A., S. 271).

    Im Bereich des Second-Level Agenda-Settings ist auch das sogenannte Priming-Konzept (engl.: aufladen) von relevanter Bedeutung. Hierbei wird auf Medieninhalte eingegangen, die besonders hervorgehoben und positioniert werden.

    Dieses Konzept geht davon aus, dass früher aufgenommene und mit dem entsprechenden Sachverhalt zusammenhängende Informationen im Gedächtnis der Rezipienten durch Medieninhalte aktiviert werden. Gedanken, Gefühle und auch Erinnerungen werden demnach verstanden, indem sie infolge einer Assoziation miteinander verbunden werden. Die jeweilige Reaktion eines Rezipienten auf einen Medieninhalt hängt in erster Linie davon ab, wie dieser Inhalt von ihm interpretiert wird und welche Gedanken oder aber auch Erinnerungen in diesem Zusammenhang bei ihm aktiviert werden. Häufig kann diese Aktivierung auch unbewusst bzw. automatisch erfolgen (Kunczik, M.; Zipfel, A., S. 370).

    Zum Schluss noch für die ganz Interessierten ein Video zum Thema „Nachrichten – Was lässt man uns wissen ?“. Viel Spaß dabei!